KOMMUNISMUS
…der Knoten ist geplatzt
Der Ausgangspunkt dieses Brainstorming zu Sahra Wagenknechts Buch Die Selbstgerechten ist eine relativ belanglose Passage im Zweiten Teil, worin sie die revidierte Fassung des WASG-Programms (Wahlalternative Soziale Gerechtigkeit) aus den Zweitausend Nuller Jahren wiederaufbereitet, nachdem sie im Ersten Teil ihre Kritik an der ‚Lifestyle-Linken‘ als pressewirksam aufbereiteten Versuch ausgebreitet hat, um mit der Kulturrevolution der ‚68-er‘ endgültig abzurechnen, als deren Karikatur der aus Kalifornien reimportierte Genderismus um die kultur-‘revolutionäre‘ Hegemonie kämpft. Der Erste Teil dieses Buches trägt einen eher feuilletonistischen Charakter, während der Zweite Teil ans Eingemachte geht, sobald man sich den politischen Hintergrund der Autorin vor Augen führt. Um die Seiten 252 herum wird dann endgültig klar, daß die Autorin den Leser in einem Irrgarten herumführt und offen läßt, wo der Ausgang ist…
Das ist auch der Übergang von dem in Teil I verströmten Sozialkitsch zum in Teil II unter der Überschrift „Ein Programm für Gemeinsamkeit, Zusammenhalt und Wohlstand“ ausgebreiteten sozial-demokratischen Politkitsch in einem Deutschland, in dem durch die Zusammenlegung zweier Staaten mit konträr entgegengesetzten (staats-)/kapitalistischen Ausbeutungsformen die „Diskursräume“ für die Diskurspartner eng geworden sind! Dies vor allem deshalb, weil zwei ursprünglich voneinander isolierte „Diskursräume“ der miteinander bis aufs Messer miteinander konkurrierenden deutschen (Teil-)Staaten sich nun plötzlich in einem einzigen „Diskursraum“ zusammendrängen und dabei einander ständig auf die Füße treten. Das hat auch Folgen in SW.s aktuellem Weltbild, worin ihre post-‘sozialistische‘ Welt ausschließlich aus deren ‚westlicher‘ Hälfte besteht, während die andere Hälfte – die vergangene ‚sozialistische‘ Welt, die nicht vergehen will – bei ihr als Phantomschmerz lebendig geblieben ist, der von jener zweiten Welt übrig gebliebene Horror jedoch nicht beim Namen genannt werden darf. Begriffe wie ‚Rußland‘ oder ‚DDR‘ kommen ihr einfach nicht über die Lippen. Oder es werden als Monopolisten, siehe die Internetmonopolisten, von ihr immer nur die ‚westlichen‘ Monopolisten angeklagt. Was sich östlich der ukrainisch-russischen Grenze oder süd-östlich des Ussuri bewegt, weiß es der Geier… Hier könnte dem Leser endgültig der Kragen platzen, aber auch der Knoten aus den vielen Verschlingungen, die sich historisch etwa so darstellen:
Die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands‘ war vor 1989 und bis zum Tod Stalins (1953), unter dem ‚westlichen‘ Label als ‚Wiedervereinigung‘ und dem ‚östlichen‘ der ‚Einheit der Nation‘ eine gemeinsame Forderung von BRD und DDR gewesen – wenngleich beide Seiten darunter völlig Verschiedenes verstanden –, eine Forderung, die mit Beginn der ‚Entstalinisierung‘ (1956) aufseiten der DDR ihre ursprüngliche Bedeutung als ‚nationale Frage‘ durch die sozialdemokratische Politik des ‚‘Wandels durch Annäherung‘ verlor. SW argumentiert in ihrer Beschreibung dieser Situation wie eine typische Vertreterin der ‚Wessi-Linken‘, die in den 60-er Jahren die von der DDR im Verlauf der ‚Entstalinisierung‘ Stalins in das politische Kleingeld der Ulbrichtschen ‚Zwei-Staaten-Theorie‘ eingewechselte ‚Nationale Frage‘ getreulich übernahm. Auch paßten in den Augen der marxistischen ‚68-er‘ ‚Wessi-Linken‘ die ‚Zwei-Staaten-Theorie‘ und der auf dem 20. Parteitag der KPdSU(B) beschlossene ‚Chruschtschow-Revisionismus‘ ja durchaus zusammen. Und dies im Unterschied zu einigen wenigen marxistisch-leninistischen Stalin- plus Mao-Anhängern – von einem Gegensatz auszugehen, wäre übertrieben –, einer radikalen Minderheit von ‚stalinistischen Maoisten‘, die in der Kombination des ‚Chruschtschow-Revisionismus‘ mit der ‚Zwei-Staaten-Theorie‘ ein eindeutiges Indiz für die ‚revisionistische Entartung‘ des Stalinschen Sozialismus zum ‚Modernen Revisionismus‘ erkannt zu haben glaubten.
Die ‚Wessi-Linke‘ kümmerte sich um die ‚Nationale Frage‘ nur noch bezogen auf die ‚Dritte Welt‘, aber nicht auf das geteilte Rest-Deutschland, dessen ‚Wiedervereinigung‘ sie von vornherein unter dem Label ‚Nationalismus‘ oder ‚nationalsozialistisches Gedankengut‘ abbuchte. Ihre Projektion einer ‚antiimperialistischen‘ Lösung der ‚Nationalen Frage‘ auf den Nahen Osten setzte zwangsläufig die Liquidierung des Staates Israel voraus. Damit bewegte sie sich gemeinsam mit der RAF straight in der Kiellinie des Ober-Muftis von Jerusalem ‒ der zu seiner Zeit bei Hitler ein- und ausgegangen war ‒, gleichzeitig aber auch auf der Linie Stalins, der in Israel allzu gerne einen mit sowjetischem Zionismus imprägnierten Sowjetstaat errichtet hätte; im selben Zusammenhang, in dem er den sowjetischen Juden das vergiftete Angebot unterbreitete, sich aus Sowjet-Rußland ‚aussiedeln‘ zu lassen und in Birobidjan an der Grenze zu China (nahe dem Zusammenfluß von Amur und Ussuri) einen jüdischen Sowjetstaat zu errichten. An dieser Ausbürgerungs-Politik hat das Assad-Regime unter dem Schutz Putins in Verbindung mit der Niederschlagung der demokratisch-antiimperialistischen Kulturrevolution in Syrien erneut wieder angeknüpft.
Während die Partei Die Linke sich im Osten Deutschlands ihren Wähleranteil mit der AfD teilen muß und beide mit verteilten Rollen die CDU (die für das ‚westdeutsche Kapital‘ die ‚Wiedervereinigung‘ Deutschlands politisch gedeichselt hat) in die Zwangslage versetzen wollen, entweder mit der AfD zu fusionieren oder einzelne AfDler (zur Schadenfreude Der Linken) skandalträchtig bei sich aufzunehmen – von daher die allergische Reaktion aus der Ecke der CDU auf die Eskapaden ihres auf Sarrazin abfahrenden ehemaligen Verfassungsschützers Maaßen –, ist Die Linke im Westen mit einer Vielzahl von Mitbewerbern‘ konfrontiert. Wenn SW eine stärkere Zustimmung ‚von die einfache Leit‘ zu ihrer Partei herbeiführen will, muß sie auch gegen deren Verdacht ankämpfen, etwas mit der genderistischen ‚Wessi-Linken‘ und mit deren Genderismus zu tun zu haben, der inzwischen als Hype ganz oben in der westdeutschen Bourgeoisie angekommen ist. Hier muß sie also nicht für die Rettung der ‚Ossi‘-Identität vor der ‚Globalisierung‘ des ‚westlichen‘ Kapitalismus ankämpfen, sondern sich in den ‚Wettbewerb‘ mit einer Vielzahl politisch meist unscheinbarer Giftpflanzen und fleiß‘ger Lieschen für einen bescheidenen Platz an der Sonne begeben, bei dem ihr von den Genderisten entsprechend viele Knüppel zwischen die Beine geworfen werden.
Vorläufiges Fazit: SW erweist sich in ihrem Buch verglichen mit ihren ‚Mitbewerbern‘ zur BT-Wahl als die strategisch entschlossenste Politikerin bei der politischen Durchsetzung der Stalin-Note von 1952 bezogen auf Gesamtdeutschland, während im Unterschied dazu die RAF erst einmal Geschichte ist. Dabei stehen ihr die genderistischen „Wessi-Linken“, auf die Die Berliner Linke durch ihre Versuche der postmodernen Übersteigerung der ‚68-er‘ Kulturrevolution (verbunden mit ihrer endgültigen Liquidierung) gesetzt hat, direkt im Wege. Ungeachtet dessen eint jedoch „Ossi-“ und „WASG-“ Linke die gemeinsame Alternative einer ‚sozialistischen‘ Ergänzung der bisher vom ‚Westen‘ aus dominierten ‚Wiedervereinigung‘ und das Ziel, diese durch eine moderne ‚Go-West‘-Strategie verbunden mit der Perspektive eines Europa vom Atlantik bis zum Ural (bzw. Ussuri) zu vollenden ‒ nicht zu vergessen die vom Neuen Zarentum bereits praktizierte Zwickmühlen-Taktik der Verhinderung der politischen Einheit Europas, die auch verbunden mit einem sozial-revolutionären Touch Marine Le Pen vorschwebt. (SW.s Affinität zu den ‚Gelbwesten‘ ist hinlänglich bekannt!) Zumal eine Lösung, die 1989 unter dem Druck der Ereignisse (und des Staatsbankrotts der DDR) nicht mehr zu realisieren war: also im Endeffekt die nachgeholte sozialistische ‚Wiedervereinigung‘ des SED-Staats mit der westdeutschen ‚Arbeiterklasse‘ beginnend mit einer Neuauflage der WASG als aktualisierte Stalinsche KPD und Brandt-Breschnewsche DKP.
Am 2. Juni 1967 hatten sich der 6-Tage-Krieg auf dem Sinai und die Stasi-Provokation an der Bismarckstraße vor der Deutschen Oper, die zur Geburt der ‚Studentenbewegung‘ führte, orakelhaft miteinander verschränkt: zu einer Verschmelzung der ‚Nationalen Frage‘ in Deutschland mit derjenigen im Nahen Osten. Wenn in den 50er Jahren die BRD nicht von sowjetischen Panzern hatte überrollt werden und das westdeutsche Kapital wieder Zugang zum ‚westlich‘ dominierten Weltmarkt hatte finden wollen, dann mußte Adenauer mit Ben Gurion einen Deal abschließen, und die Kommunisten Israels mußten ihren Traum von einem zionistischen Sowjetstaat in Palästina hinter sich lassen.
Fazit: Wir sollten uns von SW.s Kleine-Leute-Sozialismus und dessen Unterschätzung nicht einlullen lassen. Mit ihrer etwas sanfter und friedlicher erscheinenden Version der Stalinschen ‚Go-West‘-Strategie und dem Versuch der restlosen Liquidierung der Geschichte der ‚Studentenbewegung‘ und deren revolutionärer Singularität, von der der Pariser Mai (wegen der Dominanz der KPF) nur ein harmloser Abklatsch gewesen war, gehört SW mit ihrem Buch heute eindeutig zu den politisch radikalsten Verfechtern des Putinismus in Deutschland; mit der verglichen die Stasi-Postille junge Welt sich wie ein Kirchblättchen ausnimmt.
Zu guter Letzt noch ein Satz zu einem eher andernorts zu behandelnden Thema: Künftig wird auch die-Lektüre des Marxschen KAPITAL eine radikal entgegengesetzt verstandene Interpretation des Wertgesetzes bis zur Trinitarischen Formel erfahren müssen, um sich gegen Kapital und Stamokap kritisch zu bewaffnen: gegen den verstaatlichten Proudhon-, Lassalle-, Dühringschen etc. Sozialismus und Antisemitismus, der von Sahra Wagenknechts Kleine-Leute-Sozialismus bestätigt wird; dem in dieser Konsequenz bisher am weitesten gehenden und somit radikalsten Realisierungsversuch der Stalin-/Putinschen ‚Go-West‘-Strategie: einer DDR-gebundenen und BRD-bezogenen Vorgehensweise, die zusammen einander ganz hervorragend politisch ergänzen.
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