Programm

Thesen zum Klassenkampf und seinem Begriff (PDF)

Einleitung

Anfang Juli 2015 trafen sich mehrere mit der partei Marx korrespondierende Blogger in Weimar, um Möglichkeiten einer engeren Zusammenarbeit zu erkunden. Als Diskussionsgrundlage lag der Entwurf zur gemeinsamen Arbeit am Klassenkampf und seinem Begriff vor,(1) der auf den Web Sites der Diskussionsteilnehmer gepostet werden sollte. Dieser Entwurf wurde auf mehreren Arbeitstreffen diskutiert.

Der Beschluß zur gemeinsame Veröffentlichung dieses Papiers war der erste Schritt zur weiteren konkreten Zusammenarbeit. Dazu gehörte die Einrichtung einer Mailing Liste, über die Papers und Infos weitergeleitet werden sollen. Ein solches elektronisches Hilfsmittel macht allerdings auf die Dauer nur dann Sinn, wenn der angestrebte Austausch von Informationen, Texten etc. auf ein konkretes Ziel hin erfolgt. Daher wurde in Anlehnung an das 1846 von Marx, Engels u.a. in Brüssel gegründete Kommunistische Korrespondenz Komitee die Einrichtung eines Kommunistischen Korrespondenz BLogs (Communist Correspondence Blog CCB) vorgeschlagen.

Der Kommunistische Korrespondenz BLog wendet sich an die unmittelbaren Produzenten in der gesellschaftlichen Produktion des Kapitalismus, die gegenwärtig, zumindest in Deutschland, subjektiv zwar keine revolutionäre Klasse bilden, aber vielleicht in naher Zukunft eine wichtige Rolle für das internationale Proletariat spielen werden. Eine revolutionäre Avantgarde, wie sie im 19. Jahrhundert die französische und deutsche und im 20. Jahrhundert die russische und chinesische Arbeiterklasse bildeten, ist auch außerhalb Deutschlands nirgendwo zu erblicken. Nach dem 1989 von der marxistischen Linken als ‚Zivilisationsbruch‘ bezeichneten und von den Völkern Osteuropas gemeinsam herbeigeführten Exitus der Herrschaft des großrussischen Sozialimperialismus und seiner Lakaien in den osteuropäischen ‚Bruderländern‘ sind die heute nach wie vor sich zu dieser Tradition politisch bekennenden Parteien der westlichen Linken (Syriza, Podemos, Corbyn‘s Old Labour, Mélenchon, Partei Die Linke u.a.m.) gemeinsam mit den Resten der ‚traditionalistischen‘ KPs zu politischen Vollzugsorganen der russisch-chinesisch-iranischen ‚Achse‘ gegen den ‚neoliberalen‘ Kapitalismus des ‚Westens‘ herabgesunken.

Mit der 2007 über sie hereingebrochenen Weltwirtschaftskrise befindet sich die Weltbourgeoisie in ihrem Kampf um die Neuaufteilung des Weltmarkts auf der Suche nach einem (nationalen oder realen) »Bourgeoissozialismus«, der ihrem Wunsch entspricht, »den sozialen Mißständen abzuhelfen, um den Bestand der bürgerlichen Gesellschaft zu sichern«. Dazu gehören – heute nicht weniger als vor 160 Jahren – »Ökonomisten, Philanthropen, Humanitäre, Verbesserer der Lage der arbeitenden Klassen, Wohltätigkeitsorganisierer, Abschaffer der Tierquälerei, Mäßigkeitsvereinsstifter, Winkelreformer der buntscheckigsten Art«.(2) Diesen Anhängern des »Bourgeoissozialismus« haben sich die westlichen Marxisten hinzugesellt, die, alimentiert von der en masse von ihnen abgegriffenen Staatsknete, die bürgerliche Gesellschaft vor dem Mahlstrom der Weltmarktkrise retten sollen.(3)

Da der Kommunistische Korrespondenz Blog (CCB) also unmittelbar mit dem Marxismus als modernster Form des »Bourgeoissozialismus« konfrontiert ist, sehen wir die Hauptaufgabe unseres Projekts darin, im Sinne der Marxschen Partei, die sich auf der theoretischen Grundlage der Kritik der politischen Ökonomie (Karl Marx: Das Kapital) die Durchsetzung »der politischen Ökonomie der Arbeiterklasse« zum Ziel gesetzt hat,(4) den Klassenkampf des 21. Jahrhunderts auf seinen Begriff zu bringen. Dieses Ziel ist nicht ohne die Revolution in Permanenz zu erreichen und wird als Werk der assoziierten Produzenten selbst zur Aufhebung jeder Klassengesellschaft und zur Herstellung einer kommunistischen Produktion, Verteilung und Zivilisation führen. Da die Revolution in Permanenz unausweichlich mit der Konterrevolution in Permanenz konfrontiert sein wird, ist die höchstmögliche theoretische und politische »Einsicht in die Bedingungen und den Gang« ihrer Bewegung(5) von entscheidender Bedeutung, da sie der unausweichlichen Politik bis hin zum periodischen Bürgerkrieg von seiten der Konterrevolution-in-Permanenz ausgesetzt ist.

Die nachfolgenden 13 Thesen drücken noch in ihren teilweise ausufernden und den Thesencharakter sprengenden Artikeln bis zu unterschiedlichen Auflassungen in puncto deutsche Rechtschreibung den IST-Zustand unseres Projekts aus. Seine positive Veränderung betrachten wir als Prozeß und Ergebnis des hierdurch angestoßenen Arbeitsprozesses.

Bochum, Frankfurt, Leipzig, den 2. August 2017

(1) Siehe: partei Marx KOMMUNISMUS [2015] Einige Überlegungen zum Klassenkampf und seinem Begriff (Entwurf).
(2) Karl Marx; Friedrich Engels: Manifest der Kommunistischen Partei, London 1848. III.2 Der konservative oder Bourgeoissozialismus.
(3) Die marxistische Zeitschrift PROKLA (175,176) erinnert sich inzwischen reumütig früherer Zeiten, als das seitdem nicht mehr ausgeschriebene Akronym noch explizit für Probleme des Klassenkampfs stand. Zur selben Zeit ist ein Vertreter der postmodernen französischen Intelligentsija zu seinen proletarischen Ursprüngen in der einst schwerindustriellen Provinz zurückkehrt. Allerdings, um nach Didier Eribons retour à Reims erstaunt festzustellen, daß die französische Arbeiterklasse dort nicht mehr KPF, sondern den FN wählt. Nachdem von der ‚westlichen‘ Presse die keineswegs überraschende Entdeckung gemacht worden ist, daß Rechte wie Linke gleichermaßen von Rußland alimentiert oder auf andere Weise politisch gefördert werden, erweckt Eribons Melodram von der Rückkehr zu seinen proletarischen Wurzeln keine allzu große Überraschung mehr.
(4) Zit. in: partei Marx DEBATTEN DEBATTE 1 Die unscharfe Relation Marx/Marxismus…, 5 Fn. 7. parteimarx.org
(5) Karl Marx; Friedrich Engels: Manifest…, II. Proletarier und Kommunisten: »Die Kommunisten sind also praktisch der entschiedenste, immer weiter treibende Teil der Arbeiterparteien aller Länder; sie haben theoretisch vor der übrigen Masse des Proletariats die Einsicht in die Bedingungen, den Gang und die allgemeinen Resultate der proletarischen Bewegung voraus.«

 

Zur gemeinsamen Arbeit am Klassenkampf und seinem Begriff (13 Thesen)

1
Unsere künftige gemeinsame Arbeit sollte in Stil, Umfang und wissenschaftlichem Anspruch der Kooperation in etwa derjenigen in der verblichenen Marx-Gesellschaft gleichen, sich von dieser aber grundsätzlich darin unterscheiden, daß sie den allseits gehüteten akademischen Konsens politisch durchbricht.

2
Sie sollte theoretischer Natur sein, ohne akademisch zu werden – in einem von vornherein politisch sich einmischenden Sinn, wie er einer akademischen Assoziation grundsätzlich abgeht.

3
Sie sollte dem Klassenkampf eine theoretische Öffentlichkeit verschaffen, ohne in die Stereotypen der marxistischen Pseudo-Klassenkämpfer zu verfallen, und es ermöglichen, daß alle Beteiligten daraus ihre eigenen wenn möglich gemeinsamen politischen Schlußfolgerungen ziehen können, ohne dabei die üblichen und altbekannten Kampagnen-Mechanismen zu übernehmen oder diese sich aufdrängen zu lassen.

4
Die Herstellung einer theoretischen Öffentlichkeit des Klassenkampfes ist im Gegensatz zu akademischen Foren eine von vornherein politische Aufgabe, deren politische essentials sich im Zuge der gemeinsamen Praxis und der weiteren Arbeit am Begriff des Klassenkampfes herauskristallisieren werden. Diese Öffentlichkeit sollte an der Herausarbeitung dieses Begriffs orientiert sein und nicht an der wissenschaftlichen Profilierung von Personen. Und zwar auf Grundlage der Marxschen Kritik der politischen Ökonomie, der Analyse der Klassenkämpfe ihrer Zeit durch die Marxsche Partei und des konkreten Zusammenhangs dieser Analysen mit unseren Untersuchungen der seitdem stattgefundenen Klassenkämpfe.

5
Der akademische oder akademisch gewordene Marxismus hat sich bestenfalls als kaum mehr denn ein Korrektiv zu den im Realen Sozialismus angeblich nicht richtig aufgefaßten und korrekt angewendeten Theorien des Marxismus (-Leninismus) verstanden. Sein Hauptfehler bestand darin, sich nicht selbst als den eigentlichen Fehler zu begreifen. Dieser Marxismus ist längst zu einer Herrschaftswissenschaft der Neuen Bourgeoisie geworden, die sich nicht von anderen Herrschaftswissenschaften, seien es Philosophien, Religionen, Weltanschauungen, unterscheidet, die geschaffen wurden, um im Vorfeld der Klassenkämpfe Bourgeoisie und Proletariat miteinander politisch miteinander zu versöhnen und dieses in Sicherheit zu wiegen, solange jene nicht gezwungen ist, ihre eigne Sicherheit nicht nur verteidigen, sondern gewaltsam (wieder)herstellen zu müssen. Der Bruch mit denjenigen Formen des Humanismus und der Aufklärung, die als Klassen-Philanthropie den Übergang zum Marxismus als neuer Herrschaftswissenschaft markieren, ist eine weitere Voraussetzung für die Arbeit am Begriff des Klassenkampfes, um diese Arbeit nicht zur Hilfsarbeit für die neue Herrschaftswissenschaft verkümmern zu lassen.

6
Der heutige Marxismus ist bestrebt, die Klassenkämpfe der Vergangenheit im Lichte der von der Interpretation dieser Ereignisse durch die marxistische Herrschaftswissenschaft darzustellen, sie ihres revolutionären Inhalts zu berauben bzw. ihren konterrevolutionären Charakter zu verschleiern. Die Rekonstruktion der seit der Zeit von Marx und Engels stattgefundenen Klassenkämpfe wird aber besonders dadurch erschwert, weil in Deutschland für mehrere Jahrzehnte ein marxistischer und ein kapitalistischer Staat friedlich nebeneinander koexistiert haben und jede neu entstehende revolutionäre Bewegung von vornherein von bestimmten Formen und Denkweisen ‚des Marxismus‘ und der Ausstrahlung seiner ‚realsozialistischen‘ Staats- und Gesellschaftsdoktrin auf den ‚westlichen‘ Marxismus durchtränkt war. So wurde, um ein Beispiel zu nennen, der 2. Juni 1967 einerseits Ausgangspunkt einer neuen revolutionären Bewegung in Deutschland; er war aber von seiten der Stasi als Provokation zwecks Destabilisierung der ‚Frontstadt‘ West-Berlin zugleich mit dem Aufbau einer ‚revolutionär‘ getarnten ‚Untergrundbewegung‘ mit Kadern der SED verknüpft gewesen. Beide Momente in ihrer Wechselwirkung aufeinander und in ihrem historischen Kontext zu analysieren, wäre von einem heutigen Marxisten mit Sicherheit zu viel verlangt, weil von ihm dazu der Charakter ‚des Marxismus‘ als moderner Herrschaftswissenschaft gesprengt werden müßte.

7
Die Analyse des politischen Charakters der ‚Studentenbewegung‘ als revolutionäre Bewegung mit dem Ziel der Vollendung der niedergeschlagenen bürgerlichen Revolution von 1848 und des Kampfes gegen den deutschen Faschismus als Testamentsvollstrecker und Vollender der Konterrevolution der preußischen Reaktion ist im Sinne der von Marx und Engels analysierten Klassenkämpfe und nur dann möglich, wenn sie zugleich gegen ‚den Marxismus‘ als neuer Herrschaftswissenschaft und seine Interpretation dieser Ereignisse gerichtet ist. Nur so kann sie begriffen und politisch aufgehoben / abgegolten werden als eine revolutionäre Bewegung mit dem Ziel
(1.) der Vollendung der niedergeschlagenen radikal-demokratischen Revolution von 1848 und
(2.) des Kampfes gegen die in Deutschland herrschenden Eliten des NS-Faschismus, dieses Testamentsvollstreckers und Vollenders der Konterrevolution der preußischen Reaktion sowie Vollbringers des in der bisherigen Menschheitsgeschichte qualitativ einzigartig dastehenden Vernichtungswerks, dem industriellen Massenmord an den Juden sowie Sinti&Roma in Europa und dem Mittelmeerraum.

8
Die ‚Studentenbewegung‘ begriff also nicht den historischen Sinn des National-Sozialismus: Die Zerschlagung der proletarischen Revolution sollte durch die Vernichtung der Juden ergänzt und verstärkt, die ‚deutsche Arbeiterklasse‘ zur Komplizin des Judenmords gemacht werden. Verbunden damit war auch der historische Sinn der zaristischen Konterrevolution in Rußland und Stalins konterrevolutionärer Revolution nicht begriffen worden, in denen der Antisemitismus – wenn auch noch nicht in jener singulär gebliebenen eliminatorischen Konsequenz wie im NS – eine ähnliche Rolle spielte.
Es gilt also festzuhalten:
Die ‚Studentenbewegung‘, die am Gängelband der Universitäten als „Neue Linke“ innerhalb des Seminarmarxismus und des sich zunehmend institutionalisierenden „Radikalreformismus“ („Regulationstheorie“) die „Kritische Theorie“ zu erneuern unternahm, hat ihre Ambivalenz gegenüber dem NS-Antisemitismus und seinen Erben als Erben der Deutschen Misere und der „deutschen (Konter-)Revolution“ nie überwunden, ebensowenig wie ihre politische Gläubigkeit gegenüber dem Stalinschen „Antifaschismus“ und Stalins Übernahme des Erbes des zaristischen Russlands als Bollwerk der Reaktion mit dem Drang des „Völkerbefreiers“ nach ‚Westen‘ und zur globalen Hegemonie.

9
Der von den Bolschewiki kreierte Marxismus hat den Antisemitismus lediglich als „Judenfrage“ behandelt, nicht anders als die Bourgeoisie, die, ob mit antisemitischen oder philosemitischen Vorzeichen, allein „den Juden“ mit „dem Geldmenschen“ gleichsetzt. Marx hat in seiner Rezension zu Bruno Bauers Buch Die Judenfrage der bürgerlichen Gesellschaft „das Judentum“ als deren ureigene Schimäre entgegengestellt und diese in die Spaltung des Menschen in den Bourgeois und den Citoyen aufgelöst, welcher wiederum „der Jude“ als phantastisches Doppelwesen entspringt, so daß alle Menschen, ob Privatmensch oder Staatsbürger, „Juden“ sind, die , was die Religion betrifft, ob Judentum oder Christentum, Wert darauf legen, daß diese, ebenso wie ihre Geldgeschäfte und der „jüdische Schacher“ vom Staat als Privatangelegenheit behandelt werden; nach Marx ist das Geld der wahre Glaube des Geldmenschen und „der allgemeine, für sich selbst konstituierte Wert aller Dinge. Es hat daher die ganze Welt, die Menschenwelt wie die Natur, ihres eigentümlichen Wertes beraubt“; es ist „das dem Menschen entfremdete Wesen seiner Arbeit und seines Daseins, und dies fremde Wesen beherrscht ihn, und er betet es an“. Erst wenn die Menschen sich von der Religion des Geldes und ihrer entfremdeten gesellschaftlichen Grundlage, der bürgerlichen Gesellschaft emanzipieren, werden sie ganze, unentfremdete, ungeteilt-gesellschaftliche Menschen sein. Angesichts der bevorstehenden bürgerlichen Revolution, die mit der proletarischen Revolution schwanger geht, hält Marx den Deutschen ihre Unfähigkeit  vor, sich von „Hunden“ zu Menschen zu emanzipieren; anstatt in ihrer typischen Knechtseligkeit und Feigheit zu verharren, sollten sie nicht davor zurückschrecken, die Französische Revolution in Deutschland nachzuholen; wenn sie die kommunistische Revolution mit der ihnen eigenen „deutschen Gründlichkeit“ in Angriff nehmen, werden sie gleich „die Pfeiler des ganzen Hauses“ mit einreißen.

10
Die deutsche Bourgeoisie hat mit der industriell betriebenen Vernichtung der europäischen Juden (und sonstiger ‚Sozialschädlinge‘) in den Gaskammern der deutschen KZs und der Vernichtung durch Arbeit aller als arbeitsfähig taxierten Gefangenen (einschließlich der Kriegsgefangenen) zum Vorteil der deutschen Kriegsindustrie die Klassenfrage durch ihre Verwandlung in die ‚Rassenfrage‘ erledigen lassen und gemeint, die Klassenkämpfe für immer beseitigt, den entscheidenden Schlag gegen den Marxschen Kommunismus gelandet, das revolutionäre Proletariat für alle Zeiten geschlagen und damit, wie sie in ihrer Mehrheit annahm, den Endsieg der revolutionären Konterrevolution des NS-Faschismus herbeigeführt zu haben. Man könnte fast meinen, daß die ‚Endlösung der Judenfrage‘ im Kalkül der Nationalsozialisten auch als direkte Antwort auf die Marxsche Kritik an Bruno Bauer verstanden werden konnte.
Wenn die ‚Judenfrage‘ nach Marx in einem unauflöslichen Zusammenhang mit der Aufhebung der kapitalistischen Produktionsweise steht (These 9), dann hätte umgekehrt Hitlers ‚Endlösung‘ der ‚Judenfrage‘ auch die Endlösung für den Marxschen Kommunismus gewesen sein sollen, vor dem es die (nicht allein die deutsche) Bourgeoisie innerlich schon immer gegraut hat. Die moralischen Ablaßdienste, die die deutsche Bourgeoisie die deutsche Bevölkerung heute für den deutschen Judenmord leisten läßt, werden an ihrer im Verlauf der Geschichte der Klassenkämpfe gewachsenen besonderen verbrecherischen ‚Veranlagung‘ wenig ändern: sie hat sie zwischenzeitlich nur vom extremen Faschismus in den extremen moralischen Antifaschismus umschalten oder den Teufel mit Beelzebub austreiben lassen. Was den in den Startlöchern bereits mit dem Pferdefuß scharrenden Neuen Faschismus – Rechter und Linker Machart nur allzu recht sein wird.
Das von der deutschen Bourgeoisie an ‚den Juden‘ verübte Menschheitsverbrechen nimmt sich in seinen Mitteln verglichen mit den heute der Weltbourgeoisie zur Verfügung stehenden Massenvernichtungswaffen geradezu antediluvianisch aus, ihre damit verbundene Denkweise bleibt aber die alte: die der Umwandlung der Klassenfrage in die Existenzfrage der menschlichen Gattung überhaupt.

11
Der heutige Marxismus (Marx: ‚Alles was ich weiß, ist, daß ich kein Marxist bin!‘) erklärt sich mit den revolutionären Bewegungen auf der Welt nur dann solidarisch, wenn diese mit den Weltherrschaftsbestrebungen des Neuen Zarentums und der ‚anti‘-kapitalistischen Weltmächte nicht im Wege stehen. Ihre ‚Revolutionen‘ (wie z.B. der in Venezuela) sollen den Neuen Bourgeoisien der Dritten Welt, die sich der ‚anti‘-kapitalistischen Front gegen ‚den Westen‘ anschließen, den Weg ebnen, um ihre Völker noch rabiater zu unterdrücken.

12
Das zukünftige (Welt-)Proletariat wird es, eingekeilt zwischen mindestens drei Konterrevolutionen, schwer haben, daraus für sich und die Menschheit einen Ausweg zu finden (deren Überleben davon abhängt, wie dieser von ihm bestimmt wird). Die Schwierigkeit beginnt mit der Festlegung, welche von ihnen (der Nationalsozialismus, der marxistische Kommunismus, der gottesstaatliche Islamismus) zur allein herrschenden Weltmacht aufsteigen wird und damit, zu bestimmen, worin ihr Verhältnis zueinander besteht, da sich jede von ihnen als Retterin der Großdeutschen, der Großrussen oder der Großhanchinesen ausgibt, deren Rettung angeblich von der Vernichtung der beiden anderen Konterrevolutionen und des ‚westlichen‘ Kapitalismus abhängt. Dagegen wird der im Weltmaßstab herrschende elementare Widerspruch zwischen dem (Welt-)Proletariat und der (Welt-)Bourgeoisie in den Hintergrund gedrängt, worin diese ihre strategische Rettung sowohl vor dem Proletariat als auch vor den drei Konterrevolutionen erblickt, die sie zur Behauptung ihrer Vorherrschaft (Hegemonie) über den Weltmarkt gegeneinander auszuspielen sucht.
Die Tage der ‚westlichen‘ Bourgeoisie und ihrer Herrschaft als Weltbourgeoisie über den Weltmarkt scheinen gezählt zu sein; ebenso die des Gegensatzes des ‚westlichen‘ Proletariats zu ‚seiner‘ Bourgeoisie, der unter den drei revolutionären Konterrevolutionen begraben zu werden droht.
Die zu gleicher Zeit mit jeder der drei revolutionären Konterrevolutionen konfrontierten deutschen Arbeiterklasse läuft ständig Gefahr, für die eine gegen die andere oder ausschließlich gegen die ‚westliche‘ Bourgeoisie Partei zu ergreifen. Da bis heute keine proletarische Kulturrevolution stattgefunden hat, bleibt die deutsche Arbeiterklasse an den Nationalsozialismus historisch gebunden; oder sie kämpft auf dem Ticket einer der drei Konterrevolutionen ihren ‚anti‘-kapitalistischen Kampf gegen den ‚Westen‘.

13
Die gegenwärtig stattfindende Weltwirtschaftskrise hat all diese Widersprüche und Konstellationen mächtig durcheinandergewirbelt. Die Arbeit am Klassenkampf und seinem Begriff ähnelt daher eher der Operation am offenen Herzen als einer Vorlesung über die Anatomie vergangener Klassenkämpfe.